»Passagen sind Häuser oder Gänge, welche keine Außenseite haben – wie der Traum.«
Walter Benjamin, Passagen-Werk, S. 513
Natur ist keine Gegebenheit, sondern ein Begriff, der je nach Epoche oder Ideologie mit unterschiedlichen Werten besetzt wurde. Natur wird vom Menschen als »immer schon da« behauptet. Stets ist sie verbunden mit sinnlichen Vorstellungen von Landschaft, Baum, Quelle, Grün, Tieren, Wind, Sternen und Staub. Hingegen befindet sich die Stadt (althochdeutsch: »stat« = Standort, Stelle) an einem bestimmten Ort und hat verschiedene Funktionen. Menschen besiedelten einst strategisch günstige Naturräume und errichteten dort ihren gesicherten Stadtraum. Die Natur wurde von Häusern, Verkehrswegen und Stadtmauern systematisch verdrängt.
Stadt wird als geregelte Beengung, das Unfreie erfahren. Natur steht für eine uranfängliche Einfachheit, nach der sich der Städter aus seiner Zivilisation heraus sehnt. Natur ist das Andere und die »Nicht-Stadt«. So ist Natur erst vor der Folie der Erfahrungen mit der Stadt definierbar. Die Haut der Stadt bilden Asphalt oder Pflastersteine der Straßen. Darunter liegt die Natur begraben. Je weiter Städte sich ausdehnten und die Natur hinaus in die Ferne schoben, desto mehr wünschte sich der Städter ein Substitut dessen, was er verdrängt hatte.
Die Klanginstallation »Passage« von Christina Hirschberg spielt mit dem Mensch-Natur-Verhältnis im öffentlichen Raum. Im Mittelpunkt der Arbeit steht eine Rückführung der Natur in die Stadt. Eine Vielzahl an Vogelstimmen erklingt zehn Stunden lang auf einem öffentlichen Platz in der Weimarer Innenstadt. Das für die Jahreszeit Winter untypische Vogelkonzert tritt in Interaktion mit dem Straßenlärm und verändert sich unaufhörlich mit den Geräuschen urbanen Lebens. Während der Passage über den asphaltierten Platz – umgeben von moderner Architektur und »bepflanzt« mit einer Baumplastik – wird mittels Klangerlebnis die Erinnerung an Natur geweckt.
Dabei soll zum einen die Passage der Fußgänger akustisch irritiert werden, zum anderen fungieren die Naturgeräusche als Signale für die Sehnsucht der Sesshaften nach der verlorenen Natur. Alle sechs Klangquellen bleiben unverortbar und nutzen die sensible Akustik des Platzes. Stadt und Natur werden über akustische Impulse im Gedächtnis aufeinander bezogen. In der Vorstellung ergibt sich eine Entsprechung zwischen den zwei »Oberflächen« Stadt und Natur, was die Erfahrung einer Ausdehnung des Raumes ermöglicht.
Platz der Universitätsbibliothek der Bauhaus-Universität Weimar, Januar 2007
Objekte: mp3-Player, portable MiniDiscs, Aktivboxen und Funklautsprecher